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Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum Gemäldesammlung [IV-1997-004]
Die Stärke des Mannes (Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum RR-F)
Herkunft/Rechte: Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum / David Hall (RR-F)
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Die Stärke des Mannes (Kastor und Pollux; Vernunftbild)

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Beschreibung

Tischbein entwickelte die allegorische Komposition, die er wechselweise »Die Stärke des Mannes«, »Kastor und Pollux« oder »Vernunftbild« nannte, in der Zeit um 1786/87, als Goethe bei ihm am Corso wohnte und auch dessen großes Bildnis in der Campagna (vgl. Kat. 12) entstand. In der »Italienischen Reise« lobt Goethe unter dem 7. November 1786 die Vorzeichnung mit dem »Mann […] als Pferdebändiger und allen Thieren der Erde, der Luft und des Wassers« und konstatiert den Einfluss des Zürcher Philologen Johann Jacob Bodmer: »Durch den Aufenthalt bei Bodmer sind seine Gedanken auf die ersten Zeiten des menschlichen Geschlechts geführt worden, da, wo es sich auf die Erde gesetzt fand und die Aufgabe lösen sollte, Herr der Welt zu werden« (WA I, 30, S. 208). Die Evolution des Menschen von seinen primitiven Anfängen zum Herrn der Schöpfung, der sich das Tierreich durch seine überlegene Vernunft untertan macht, stellt Tischbein anhand von zwei Reitern dar, kräftigen Männerakten, die dem Vorbild der Antike (Dioskuren auf dem Quirinal, Torso Belvedere, Herkules Farnese) nachempfunden sind. Die Pferde und den Hund haben sie sich als Haustiere dienstbar gemacht, die Raubtiere dank der Erfindung von Waffen erlegt. Der Rechte, der mit einer Lanze bewaffnet ist, schleift einen Löwen, den König der Tiere, hinter sich her; der Linke, der Pfeil und Bogen trägt, hat einen Adler, den Herrscher der Lüfte, auf dem Rücken festgebunden. Die heraldische Bedeutung von Adler und Löwe als Herrschaftszeichen kann in einer weiteren Deutungsschicht auf die Unterwerfung anderer Völker durch siegreiche Feldherrn im Krieg hindeuten. Der Siegeszug setzt sich im Landschaftshintergrund fort, wo zwei Männer einen großen Fisch gefangen haben, also nach der Erde und der Luft auch das Element des Wassers beherrschen. Die Herkunft des Menschengeschlechts, das es so weit gebracht hat, deutet das Motiv der Höhle an, die sich hinter den beiden Reitern öffnet: Die Urbehausung waren Höhlen und Grotten, von denen der Urmensch sich auf dem Weg zur Kultur entfernt. Mit der Allegorie reiht Tischbein sich in die Tradition des pictor doctus ein und beweist sich als klassizistischer Historienmaler, führt aber zugleich sein großes Können bei der naturgetreuen Wiedergabe der Tiere vor. Die Komposition, die er mehrfach wiederholt, betrachtet er mit Stolz und notiert in seinen Lebenserinnerungen: »Ich bin immer darauf bedacht gewesen, Gegenstände zu malen, die nicht allein zur Unterhaltung dienen sollten, sondern auch zur Belehrung. […] Ich bildete die Gruppe des Gemäldes zu einer Pyramide, in welcher der Mensch als die höchste Spitze auf dem edlen Pferde sitzt. […] Hinter den Reitern folgt der graugestreifte treue Hund, als Gehilfe der Jagd und als Bewahrer der Beute. […] So ist im Bilde mit wenigen Worten ausgesprochen, daß der Mensch durch die Gabe der Vernunft Herrscher über alle Geschöpfe ist« (Tischbein 1861, S. 413f.). Das Motiv der Reiter fügt er auch in die skurrile Erzählung der »Eselsgeschichte« ein und interpretiert abweichend: »Es ist Nimrod, der göttliche Jäger […] und das Bild der Heldenkraft« (Kat. Oldenburg/ Cismar 1987, S. 62). Faktisch nicht nachvollziehbar ist die These, Tischbein habe das Bild als Freundschaftsallegorie aufgefasst und die »Kastor und Pollux« genannten Reiter als Rollenbilder für sich selbst und Goethe entworfen. (Reindl 1999, S. 42ff.) (Quelle: Maisak/Kölsch: Gemäldekatalog (2011), S. 312-314).

Werkverzeichnis:
Landsberger 57

Erworben 1997 von der Kunsthandlung Neuse, Bremen, mit Mittel der Hessischen Kulturstiftung, der FAZIT-Stiftung und anderer Spender.

Beschriftung/Aufschrift

Signiert und datiert links unten mit dem Pinsel in Dunkelbraun (auf der Erde): "Wilh: Tischbein f / Roma 1787". Rückseitig auf der Tafel Aufkleber, bezeichnet in Feder: "Triumph of Man over / the Elements / Painted by Wilhm Tischbein. / Rome 1787."; schabloniert in Schwarz: "472 ER", "496 LK", Aufschrift in Kreide "[verwischt]05"

Vergleichsobjekte

Vorlage ist: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Heimkehr zweier antiker Helden von der Jagd / Kastor und Pollux / Die Stärke des Mannes, 1786. Aquarell, Blattmaß: 48,5 x 64,4 cm. Staatliche Museen Berlin, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. SZ J.H.W.Tischbein 4 (Reindl 1999, S. 30)

Vergleichsstück: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, 1798. Öl auf Leinwand, 67,0 x 81,0 cm. Eutin, Ostholstein-Museum (Reindl 1999, S. 7)

Vergleichsstück: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, 1821. Öl auf Leinwand, 306,0 x 427,0 cm. Oldenburg, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Wiederholung ist: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, 1790. Aquarell; Oldenburg, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Wiederholung ist: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, um 1813. Federzeichnung; Oldenburg, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte

Wiederholung ist: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, 1820. Aquarellierte Federzeichnung, 350 x 444 mm. New York, Pierpont Morgan Library, Inv. Nr. 1988.11

Wiederholung ist: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, Aquarellierte Federzeichnung; Klassik Stiftung Weimar

Wiederholung ist: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, Federzeichnung. Anhaltische Gemäldegalerie Dessau

Wiederholung ist: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: Die Stärke des Mannes, Federzeichnung über Bleistift (Bassenge Berlin, Auktion Nr. 96, 2010, Lot 6314)

Kopie ist: Unbekannter Künstler: Die Stärke des Mannes, Öl auf Leinwand, Frankfurt am Main, Historisches Museum

Reproduziert in: Die Stärke des Mannes, um 1813. Radierung, Ostholstein Museum Eutin

Material/Technik

Öl auf Holz

Maße

56,5 x 73,8 cm

Ausführliche Beschreibung

Provenienz:
1959 in einer Privatsammlung in Baden-Württemberg dokumentiert (Kat. Stuttgart 1959 (Meisterwerke)); danach als verschollen bezeichnet (Keiser
1973, S. 32). | Im Januar 1994 versteigert bei Koller, Zürich, und von der Galerie Neuse erworben.

Literatur

  • Landsberger, Franz (1908): Wilhelm Tischbein. Ein Künstlerleben im 18. Jahrhundert. Leipzig, Kat. 57, S. 192
  • Maisak, Petra / Kölsch, Gerhard (2011): Die Gemälde : "... denn was wäre die Welt ohne Kunst?", Bestandskatalog. Frankfurt am Main, Kat. 378, S. 312-314
Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum

Objekt aus: Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum

Das 1859 gegründete Freie Deutsche Hochstift zählt zu den ältesten literatur- und kunstwissenschaftlichen Forschungsinstituten Deutschlands und ist...

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