Tischbein entwickelte die allegorische Komposition, die er wechselweise »Die Stärke des Mannes«, »Kastor und Pollux« oder »Vernunftbild« nannte, in der Zeit um 1786/87, als Goethe bei ihm am Corso wohnte und auch dessen großes Bildnis in der Campagna (vgl. Kat. 12) entstand. In der »Italienischen Reise« lobt Goethe unter dem 7. November 1786 die Vorzeichnung mit dem »Mann […] als Pferdebändiger und allen Thieren der Erde, der Luft und des Wassers« und konstatiert den Einfluss des Zürcher Philologen Johann Jacob Bodmer: »Durch den Aufenthalt bei Bodmer sind seine Gedanken auf die ersten Zeiten des menschlichen Geschlechts geführt worden, da, wo es sich auf die Erde gesetzt fand und die Aufgabe lösen sollte, Herr der Welt zu werden« (WA I, 30, S. 208). Die Evolution des Menschen von seinen primitiven Anfängen zum Herrn der Schöpfung, der sich das Tierreich durch seine überlegene Vernunft untertan macht, stellt Tischbein anhand von zwei Reitern dar, kräftigen Männerakten, die dem Vorbild der Antike (Dioskuren auf dem Quirinal, Torso Belvedere, Herkules Farnese) nachempfunden sind. Die Pferde und den Hund haben sie sich als Haustiere dienstbar gemacht, die Raubtiere dank der Erfindung von Waffen erlegt. Der Rechte, der mit einer Lanze bewaffnet ist, schleift einen Löwen, den König der Tiere, hinter sich her; der Linke, der Pfeil und Bogen trägt, hat einen Adler, den Herrscher der Lüfte, auf dem Rücken festgebunden. Die heraldische Bedeutung von Adler und Löwe als Herrschaftszeichen kann in einer weiteren Deutungsschicht auf die Unterwerfung anderer Völker durch siegreiche Feldherrn im Krieg hindeuten. Der Siegeszug setzt sich im Landschaftshintergrund fort, wo zwei Männer einen großen Fisch gefangen haben, also nach der Erde und der Luft auch das Element des Wassers beherrschen. Die Herkunft des Menschengeschlechts, das es so weit gebracht hat, deutet das Motiv der Höhle an, die sich hinter den beiden Reitern öffnet: Die Urbehausung w