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Artikel Der Nachlass von Robert F. Heuser junior

Der Nachlass von Robert F. Heuser junior

Von Anja Heuß
Veröffentlicht

Abstract Provenienzbericht zum Konvolut aus der Sammlung Robert F. Heuser junior

Im Besitz der Handschriftenabteilung des Freien Deutschen Hochstifts/ Frankfurter Goethe-Museums befinden sich 145 Handschriften und Stammbücher aus dem Nachlass von Robert F. Heuser junior (1864-1938) aus München. Dieses Konvolut wurde zusammen mit vier Gemälden, 19 Grafiken  und zwei Miniaturen, drei Plastiken und 57 Erinnerungsstücken kurz nach seinem Tod im Sommer 1938 erworben. Unter den Gemälden sticht insbesondere das Porträt der Frau Aja, Goethes Mutter, von Georg Oswald May (IV-01710) hervor. Ihr Ehemann Johann Caspar Goethe (1710-1782) gab das Gemälde 1776 beim Künstler in Auftrag und schenkte es als Erinnerung seiner verheirateten Tochter Cornelia Goethe (1750-1777). Das Pastell, schon vor dem Ankauf durch zahlreiche Reproduktionen bekannt, ist eines der ältesten und bekanntesten Werke aus diesem Konvolut.

Der Nachlassgeber war ein Nachfahre von Cornelia Goethe, der Schwester von Johann Wolfgang von Goethe. Sie war verheiratet mit Johann Georg Schlosser (1739-1799). Der älteste Brief in diesem Konvolut ist ein Gedicht Johann Caspar Lavaters zur Hochzeit der beiden am 14.10.1773. Der größere Teil des Konvolutes stammt von ihrer gemeinsamen Tochter Lulu Schlosser (1774-1811) und deren Ehemann Georg Heinrich Ludwig Nicolovius (1767-1839). Es handelt sich dabei um 122 Briefe von Lulu Nicolovius-Schlosser und ihrem Ehemann an Clärchen Franziska von Clermont, geb. Jacobi (1777-1849) aus den Jahren 1792-1816. Hinzu kommen fünf Stammbücher von Lulu und Georg Heinrich Ludwig Nicolovius sowie ihrer Nachfahren Adeline Heuser, Georgine Heuser und George Wagner, die ihrerseits aus Gummersbach (bei Köln) stammten. Darüber hinaus enthält der Nachlass auch zwei eigenhändige Briefe Johann Wolfgang von Goethes an Georg Heinrich Nicolovius und seinen Sohn Franz (Hs-6344-6346) sowie das Gedicht „Bergschloß“ (Hs-6343). Hinzu kommen Bruchstücke aus dem „Wilhelm Tell“ und fünf Zeilen aus dem „Demetrius“ von Friedrich von Schiller (Hs-6347-6348).

Flußlandschaft im Mondlicht / CC BY-NC-SA @ Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum
Flußlandschaft im Mondlicht

"In nächtlich schwach erhellter Landschaft, von einem in der Bildmitte nach links gekrümmten Flusse durchzogen, der von dem ansteigenden Vollmonde beglänzt wird, in der linken Bildhälfte...

Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum

Die Stiftung Heuser-Covaz

Die Familie Heuser stammte ursprünglich aus Gummersbach und war im 19. Jhdt. im Raum Köln/Düsseldorf beheimatet; Robert Heuser senior war Inhaber der Firma P.G. Heusers‘ Söhne im Richmodis-Haus in Köln und vielseitig kulturell engagiert.

Im Erbgang war eine umfangreiche Anzahl von Erinnerungsstücken, Ahnenbildern, Handschriften, Gemälden und Zeichnungen von Cornelia Goethe, ihrer Tochter Lulu Schlosser und den Familien Nicolovius und Heuser von Generation zu Generation weitergegeben, aber auch ergänzt worden. Schließlich gelangte das Konvolut im Erbgang an Robert Heuser junior, der 1938 in München verstarb. Das Porträt der Catharina Goethe hatte er bereits 1934 dem Goethe-Museum testamentarisch vermacht. Die gesamte Wohnungseinrichtung erbte sein Adoptivsohn Tullio Heuser-Covaz (1904-1978), der kurz nach dem Tod Robert Heusers in Kontakt mit dem Freien Deutschen Hochstift trat und die Einrichtung einer Stiftung vorschlug.

 

Im Hausarchiv des Freien Deutschen Hochstifts befindet sich eine Sonderakte, die nähere Details zu dieser Stiftung enthält. Neben dieser Sonderakte wurden auch die Nachlassakte von Robert F. Heuser junior im Staatsarchiv München sowie Akten im Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt hinzugezogen. Denn in die Gründung dieser Stiftung waren auch die Stadt Frankfurt bzw. der Oberbürgermeister Friedrich Krebs (1864-1961) persönlich involviert, weshalb sich Spuren dieses Engagements auch in den Magistratsakten und den Akten der Stiftungsabteilung der Stadt Frankfurt finden.

Tullio Heuser-Covaz war bereit, einen Teil der Kunstwerke dem Freien Deutschen Hochstift zu vermachen. Der Wert der ausgesuchten Objekte wurde von ihm auf ca. 10.000 RM geschätzt, die Tullio Heuser-Covaz nicht erhalten wollte. Vielmehr wünschte er sich als Gegenleistung die Einrichtung einer Stiftung. Die Zinserträge dieser Stiftung sollten deutschen Künstlern zugutekommen und ihnen einen Aufenthalt in Rom, seinem Heimatort, ermöglichen. Ernst Beutler besuchte ihn in München und suchte sich die wichtigsten Objekte heraus. Das Mobiliar, zahlreiche Familienporträts und kunstgewerbliche Objekte (insgesamt über 400 Gegenstände) übergab Tullio Heuser-Covaz im Mai 1938 dem Münchner Auktionator Adolph Weinmüller, der sie in seinem Auftrag öffentlich versteigerte.

Ernst Beutler konnte 1938 zur Einrichtung dieser Stiftung von privater Seite 12.300 RM einwerben; die größten Geldgeber waren die IG Farben. Das Freie Deutsche Hochstift führte die Stiftung als unselbständige Stiftung, die vom Freien Deutschen Hochstift in Rechtsgeschäften vertreten wurde. Im August 1938 wurden die Kunstwerke von Tullio Heuser-Covaz dem Freien Deutschen Hochstift übergeben.

 

Oberbürgermeister Krebs unterstützte das Vorhaben mit Rat und Tat, indem er die Vereinbarung zur Errichtung dieser Stiftung zusammen mit dem Freien Deutschen Hochstift und dem Erben später unterzeichnete. Als Bürgermeister war er seit dem 6. November 1933 Mitglied im Vorstand des Freien Deutschen Hochstifts. Im Gegenzug schränkte Krebs den Kreis der Begünstigten auf Künstler ein, die entweder in Frankfurt geboren waren oder mindestens ein Jahr in Frankfurt gelebt hatten. Die Stadt Frankfurt verpflichtete sich, den Betrag bei Bedarf um bis zu 1.000 RM aufzustocken. Dazu kam es jedoch nie, da durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges keine Künstler entsandt werden konnten. Somit kam es auch zu keiner Ausschüttung.

Obwohl die Kunstwerke von Tullio Heuser-Covaz 1938 übergeben worden waren und die Stadt Frankfurt 1939 zwei Künstler als Kandidaten für das Stipendium ausgewählt hatte, verzögerte sich der Abschluss des Vertrages jahrelang. Tullio Covaz, der unterdessen zurück nach Rom gezogen war, fragte mehrfach nach und schaltete schließlich 1941 einen Herrn von der Schulenburg ein. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um Gebhard Werner von der Schulenburg (1881-1958), der seit 1919 in Italien lebte. Von der Schulenburg, der nicht mit seinem Cousin, dem Widerstandskämpfer Friedrich Werner von der Schulenburg verwechselt werden darf, stand den italienischen Faschisten nahe. Seit 1939 arbeitete er für die Deutsche Botschaft und hatte ein Büro in Rom, das Kulturpropaganda für das Deutsche Reich betrieb.

Von der Schulenburg fragte 1941 über das Auswärtige Amt bei der Gauleitung von Hessen-Nassau nach, was denn aus der Stiftung geworden sei. Oberbürgermeister Krebs schaltete daraufhin den Frankfurter Rechtsanwalt Dr. Hermann Rumpf (1875-1942) ein, der dem Freien Deutschen Hochstift nahestand. Er beauftragte ihn, den Satzungsentwurf zu formulieren. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses des Freien Deutschen Hochstifts am 10.12.1941 wurde der Satzungsentwurf genehmigt. Unterzeichnet wurde er jedoch erst am 20.04.1942 vom Oberbürgermeister und dann an den Erben in Rom geschickt, der sich nun nicht mehr meldete. Nun wurde in umgekehrter Richtung Druck über das Auswärtige Amt und Werner von der Schulenburg gemacht: Krebs bat das Auswärtige Amt, Covaz in Rom zu kontaktieren und zur Unterschrift zu bewegen. Die Vereinbarung wurde von Tullio Heuser-Covaz am 8. Juli 1943 – also über ein Jahr später - über das Auswärtige Amt unterzeichnet zurückgesandt. Unterdessen war Sizilien von den Alliierten besetzt und Mussolini gestürzt worden; von der Schulenburg hatte sich aus Rom abgesetzt, nachdem er sich gegenüber der Gestapo geweigert hatte, bei der Befreiung Mussolinis auf dem Monte Salo mitzuwirken. Rechtsanwalt Rumpf war verstorben.

Die Stadt Frankfurt hatte 1939 zwei Künstler als Stipendiaten vorgeschlagen. Es handelte sich dabei um den Bildhauer Paul Egon Schiffers (1903-1987) und den Maler Karl Dörrbecker (1894-1983). Beide hatten in den 1920er Jahren an der Kunstgewerbeschule, später Städel-Schule, ihre Ausbildung als Bildhauer bzw. Maler erhalten. Schiffers war ein Schüler von Richard Scheibe und Leiter der Abteilung Bildhauerei in der Städelschule. Der Kunstmaler Karl Dörrbecker war seit 1933 Mitglied im Kampfbund für deutsche Kultur, deren Frankfurter Abteilung von Friedrich Krebs gegründet worden war. Dörrbecker war – im Gegensatz zu Schiffers - ein überzeugter Nationalsozialist. Durch den Kriegsausbruch war eine Entsendung jedoch nicht mehr möglich und kam auch in den Folgejahren nicht zustande.

Angesichts der Kriegssituation bat Tullio Heuser-Covaz 1943 darum, während des Krieges die Gelder kriegsversehrten Künstlern oder Angehörigen gefallener Künstler zukommen zu lassen. Dies sagte Oberbürgermeister Krebs am 31.8.1943 zu. Jedoch war die Stiftung unterfinanziert: 1944 betrug der Jahresertrag lediglich 200 RM. Ob Gelder zu karitativen Zwecken jemals ausgezahlt wurden, ist nicht belegt.

 

Zusammenfassung:

Insgesamt wurden 230 Objekte (Gemälde, Grafiken, Plastiken, Handschriften, Silhouetten und Erinnerungsstücke) 1938 übergeben. Ernst Beutler war es gelungen, den Betrag von Frankfurter Bürgern und Firmen zu sammeln und von der Stadt Frankfurt zusätzlich politische und finanzielle Unterstützung zur Gründung einer Stiftung zu erhalten. Die Benennung von konkreten Kandidaten für das Stipendium 1939 zeigt, dass man in Frankfurt durchaus daran dachte, den Stiftungsgedanken umzusetzen. Die Stiftung Heuser-Covaz wurde jedoch formal erst 1943 installiert. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges machte eine Entsendung deutscher Stipendiaten nach Italien unmöglich.

Nach dem Ende des Zweiten geriet die Stiftung in Vergessenheit. Das Stiftungsvermögen von 10.000 RM wurde durch die Einführung der Währungsreform 1948 praktisch vernichtet. Eine Bilanz aus dem Jahr 1952 weist die Heuser-Stiftung mit einem Guthaben von 66,26 DM aus. Es erging dieser Stiftung damit nicht anders als vielen anderen Stiftungen in Deutschland und nicht zuletzt dem Hochstift selbst.

 

Quellen:

 

Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum:

Inventarakte zu Georg May: Porträt der Frau Rat (Inventarnummer IV-01710)

Hausarchiv: Sonderakte zur Stiftung Robert Heuser

 

Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt:

Stiftungsabteilung Nr. 190

Magistratsakte 8.119

Kulturamt 410

V 36 (Kampfbund für deutsche Kultur)

 

Staatsarchiv München:

Nachlassakte AG München NR 1938/48 (Robert F. Heuser)

 

Links:

https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/weinmueller1938_05_05 (Auktion Weinmüller)                                                                             

https://de.wikipedia.org/wiki/Richmodis-Haus

 

Literatur:

Goethe-Ausstellung München, München 1932 (Leihgeber Robert F. Heuser)

Rheinische Goethe-Ausstellung, Düsseldorf 1899 (Leihgeberin Bertha Maria Heuser)

Meike Hopp: Kunsthandel im Nationalsozialismus. Adolf Weinmüller in München und Wien. Köln Weimar Wien 2012. Hier: S. 152, 318

Ernst Beutler: Heimkehr eines Bildes. In: Ders.: Essays um Goethe. Leipzig 1941, S. 78-83

Ernst Beutler: Heimkehr eines Bildes. In: Ders. Essays um Goethe.  Frankfurt/Leipzig 1995. Hier: S. 76-92.

Ernst Beutler/Josefine Rumpf (Hg.): Bilder aus dem Frankfurter Goethemuseum, Frankfurt 1949, S. 10f.

Petra Maisak, Gerhard Kölsch: Frankfurter Goethe-Museum. Die Gemälde. Bestandskatalog. Frankfurt 2011

 

 

 

Dr. Anja Heuß, 17.05.2023

 

 

 

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